Inhaltsverzeichnis
Die Frage „Bin ich gut genug …“ stellt sich vermutlich jeder Mensch im Leben. Sie ist wohl eine der tiefgreifendsten Fragen, die uns Menschen bewegt. Sie berührt unser Selbstwertgefühl, unser Verhältnis zu anderen und unsere Beziehung zu Gott.
Die Suche nach einer Antwort führt uns zu einer Reflexion über unsere Stärken und Schwächen, unsere moralischen Maßstäbe und unsere Bestimmung im Leben. Aus biblischer Sicht bietet diese Frage eine Einladung, unser Menschsein in Verbindung mit Gottes Sicht auf uns zu betrachten.
Das Zeugnis
Ehe wir uns analytisch an das Thema begeben, zunächst eine Episode aus meinem Leben, denn auch mir ist diese Fragestellung keineswegs fremd:
Meine Jugend war geprägt von sicherlich wohlmeinenden Verboten und dem unausweichlichen übereifrigen Streben meiner Mutter, dass aus mir „was werden“ sollte. Ein Dr. jur. wäre recht, aber auch ein Dr. med. durchaus akzeptabel. Nachdem meine Noten auf dem humanistischen Gymnasium, mit den Fremdsprachen Latein, Englisch und Französisch aus Sicht meiner Mutter zu wünschen übrig ließen und dem damaligen Numerus Clausus in keinster Weise gerecht wurden, damit der Traum vom Dr. wie auch immer auf nimmer Wiedersehen schwand, aber mein Interesse für Technik immerhin die vage Wahrscheinlichkeit bot, wenigstens einen Dipl. Ing. zu erreichen, wurde dieses Ziel vehement verfolgt. Üben, üben, üben hieß es, – selbst in den Ferien.
Eines Sommers, wir wollten für drei Wochen Richtung Österreich Urlaub machen, sah ich auf Grund des Zeugnisses schwarz für eine Übungs-freie Zeit. Folglich besorgte ich mir zwei Plastiktüten, in die ich das Zeugnis fein säuberlich zwischen zwei Papprückseiten von Schreibblöcken legte, in die erste Tüte packte, die zweite umgekehrt darüber, um weitgehend möglicherweise eindringende Feuchtigkeit auszuschließen.
Auf dem Heimweg gab es ein Grundstück mit großen, kaum genutzten Garten hinter einem hohen schmiedeeisernen Zaun. Reichlich Laub bedeckte den lockeren Erdboden. Ein optimales Versteck. Das Laub und die oberste Erdschicht schnell beiseite geschoben, das leidige Objekt in den Tüten dort vergraben, Laub drüber, fertig.
Zuvor hatte ich natürlich jene Klassenkameraden geimpft, falls meine Mutter nachfragen sollte, ob wir die Zeugnisse nicht bekommen hätten, dass sie gleichlautende Auskunft gäben.
Daheim angekommen war erwartungsgemäß die erste Frage „Und …?“, gefolgt von meiner Antwort „Nix, bekommen wir erst nach den Ferien!“ Meine Mutter mit sichtlich verärgerter, wie ungläubiger Miene: „Das glaubst Du ja wohl selber nicht!“ Worauf ich mit größtmöglichem Gleichmut und unter Vermeidung ansatzweisen Errötens erwiderte „Kannst ja bei den anderen anrufen …“
Sie rief nicht an – der Urlaub, frei von Üben war gerettet! Doch um welchen Preis?!
Einige Wochen vor ihrem nicht absehbaren plötzlichen Tod äußerte sie sich mir gegenüber in einem abendlichen Gespräch resümierend, sie habe wohl in meiner Erziehung vieles falsch gemacht. Meine Antwort lautete: „Du hast nichts falsch gemacht, auch wenn Du später manche Entscheidung gern revidiert, eine andere Entscheidung getroffen hättest. Es ist normal, dass man Entscheidungen aus dem jeweils aktuellen Wissenstand trifft, im Rückblick aber, unter Berücksichtigung der dann gemachten zusätzlichen Erfahrungen, zu einem anderen Ergebnis gelangt. Kaum jemand wird absichtlich wider besseres Wissen handeln, erst recht nicht Eltern, die üblicherweise das Wohl des Kindes im Fokus haben.
Mit diesem Zwiegespräch hätte sie sich gut dreißig Jahre unseres Lebens weitaus angenehmer und kommunikativer gestalten können, hätte sie es deutlich früher stattfinden lassen. Aber gut, manche Dinge brauchen Zeit, wünschenswert wäre nur, dass man so früh als möglich diese Erkenntnis verinnerlicht und nicht bis kurz vor Ultimo wartet.
Der Maßstab
Was ist eigentlich unser Maßstab, der definiert, ob wir gut genug sind oder nicht?
der weltliche …
In unserer Gesellschaft wird „gut genug“ oft anhand äußerer Kriterien gemessen: Erfolg, Schönheit, Leistung, Anerkennung. Viele Menschen empfinden, dass sie diesen Erwartungen nicht genügen. Wer nicht mithalten kann, fühlt sich schnell minderwertig.
Doch diese Maßstäbe sind oft unerreichbar und können zu einem endlosen Streben nach Perfektion führen. Es entsteht ein innerer Druck, der den Blick für den wahren Wert des Menschen verstellen kann.
… und der göttliche
Die Bibel bietet eine radikal andere Perspektive. Im Zentrum steht die Botschaft von Gottes bedingungsloser Liebe. In Psalm 139,14 (Schlachter) heißt es: „Ich danke dir dafür, daß ich erstaunlich und wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke, und meine Seele erkennt das wohl!„
Diese Worte erinnern uns daran, dass unser Wert nicht von unserer Leistung oder von anderen Menschen abhängt, sondern von der Tatsache, dass wir Geschöpfe Gottes sind.
Auch im Neuen Testament begegnen wir dieser Botschaft. Jesus Christus kam nicht, um Perfekte zu rufen, sondern Sünder (vgl. Lukas 5,32 (Schlachter) – “ Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu berufen, sondern Sünder zur Buße.“).
Im Brief an die Römer (3,23–24 (Schlachter)) fasst Paulus diese Wahrheit zusammen:
„Denn alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist.“
Gott liebt uns nicht wegen unserer Taten, sondern TROTZ unserer Unvollkommenheit. Das Kreuz steht als Zeichen dafür, dass wir angenommen sind, so wie wir sind!
Spannungsfeld – Sünde und Gnade
Ein wichtiger Punkt in der Bibel ist das Eingeständnis, dass wir als Menschen nicht „gut genug“ sind, um aus eigener Kraft vor Gott bestehen zu können.
Diese Wahrheit mag im ersten Moment niederschmetternd wirken. Doch sie weist uns auf Gottes Gnade hin. In 2. Korinther 12,9 (Schlachter) sagt Gott zu Paulus: „Und er hat zu mir gesagt: Laß dir an meiner Gnade genügen.“
Diese Aussage kehrt die menschlichen Maßstäbe um: Gerade in unserer Schwäche, in unseren Fehlern und Unzulänglichkeiten zeigt sich Gottes Größe und Liebe.
Freiheit
Wenn wir uns von Gottes Liebe leiten lassen, ändert sich unser Blick auf uns selbst. Wir dürfen erkennen, dass es nicht um Perfektion geht, sondern darum, im Vertrauen auf Gott zu leben. Die Bibel ruft uns dazu auf, unsere Identität nicht in weltlichen Maßstäben, sondern in Christus zu suchen (vgl. Galater 2,20 (Schlachter) – „Ich bin mit Christus gekreuzigt; und nun lebe ich, aber nicht mehr ich [selbst], sondern Christus lebt in mir. Was ich aber jetzt im Fleisch lebe, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.“). Dies führt zu einer tiefen inneren Freiheit.
Zugleich wird deutlich, dass „gut genug“ in Gottes Augen nicht bedeutet, passiv zu sein. Vielmehr sind wir eingeladen, unsere Gaben zu entfalten und anderen zu dienen. In Micha 6,8 (Schalchter) heißt es:
„Es ist dir gesagt,[5] o Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert: Was anders als Recht tun, Liebe üben und demütig wandeln mit deinem Gott?“
Hier wird klar, dass unser Leben einen Sinn hat, der über die Frage hinausgeht, ob wir „genügen“. Es geht um Hingabe, Liebe und Gemeinschaft mit Gott.
Impulse
Selbstannahme üben: Akzeptiere Dich selbst als ein von Gott geschaffenes, geliebtes Wesen. Lerne, mit Deinen Schwächen geduldig zu sein.
Gottes Gnade annehmen: Bete und danke Gott für Seine Liebe, die unabhängig von Deiner Leistung ist.
Andere Perspektive einnehmen: Frage Dich, wie Gott auf dein Leben schaut, anstatt Dich von äußeren Maßstäben definieren zu lassen.
Im Glauben wachsen: Suche nach Möglichkeiten, Deine Beziehung zu Gott zu vertiefen, z. B. durch Bibellesen, Gebet oder Gemeinschaft mit anderen Gläubigen.
Fazit
Die Frage „Bin ich gut genug?“ ist letztlich eine Einladung, die eigene Identität im Licht von Gottes Liebe zu sehen. Die Bibel zeigt uns, dass unser Wert nicht an äußeren Erfolgen oder Perfektion gemessen wird, sondern an der Gnade und Liebe Gottes.
In dieser Wahrheit finden wir nicht nur Trost, sondern auch Freiheit und Ermutigung, unser Leben mit Zuversicht zu gestalten. Gott sagt zu jedem von uns: „Du bist genug, weil ich dich liebe.“