Aktualisiert – februari 9, 2025
Das Wort Ehrfurcht beinhaltet zwei Aspekte: die Ehre und die Furcht. Wie passt das zusammen?
Der Duden definiert Ehrfurcht als ein „Tief empfundener Respekt, der mit Scheu oder Verehrung verbunden ist“.
Die Philosophie erklärt Ehrfurcht als eine Mischung aus Bewunderung, Demut und Staunen.
Aus religiöser Sicht ist Ehrfurcht als die angemessene Haltung des Menschen gegenüber dem Heiligen, besonders gegenüber Gott definiert.
Ehrfurcht hat mehrere Dimensionen, die sie von bloßem Respekt unterscheiden:
- Demut: Man erkennt, dass man selbst klein ist im Vergleich zum Gegenüber.
- Bewunderung: Man sieht eine Größe oder Erhabenheit, die über das Alltägliche hinausgeht.
- Furcht und Staunen: Eine Mischung aus Angst und Ehrfurcht, die zeigt, dass das Gegenüber mächtig oder heilig ist.
- Respekt und Ehrerbietung: Man fühlt sich verpflichtet, dem Objekt der Ehrfurcht gebührend zu begegnen.
Die Bibel sagt in Sprüche 9,10 „Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Weisheit, und die Erkenntnis des Heiligen ist Einsicht.“ Gottesfurcht bedeutet nicht Angst im Sinne von Schrecken, sondern eine tiefe Ehrfurcht vor Gottes Heiligkeit, Gerechtigkeit und Macht.
Hebräer 12,28-29 appelliert „Darum lasst uns dankbar sein, indem wir Gott wohlgefällig dienen mit Ehrfurcht und Furcht; denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer.“
Der Brief an die Hebräer richtet sich an jüdische Christen, die unter Druck standen und Gefahr liefen, in ihren alten jüdischen Glauben zurückzufallen. Er zeigt, dass Jesus Christus größer ist als das mosaische Gesetz und dass die Gläubigen in einem neuen, unerschütterlichen Reich Gottes leben.
Es werden Gottes Heiligkeit und die Verantwortung der Gläubigen betont und an Gottes Offenbarung am Berg Sinai erinnert, bei der das Volk Israel voller Furcht war (Hebräer 12,18-21).
Im Gegensatz dazu haben Christen Zugang zum himmlischen Jerusalem. Dieser Zugang erfordert jedoch eine angemessene Haltung, nämlich Dankbarkeit, Ehrfurcht och wahren Gottesdienst.
Die alten Griechen bezeichnen Ehrfurcht mit εὐλάβεια, „eulabeia“, was für respektvolle Achtung, Demut und Anbetung steht. Furcht, griech. φόβος, „phobos“ kann sowohl Angst als auch tiefen Respekt bedeuten und ist daher immer im entsprechenden Kontext zu definieren.
Im biblischen Wortsinn ist Furcht hier also in der Bedeutung eines tiefen Bewusstseins für Gottes Größe, Heiligkeit und Autorität zu verstehen.
Ehrfurcht beinhaltet damit das Erbringen von Ehre, sowie Anerkennen Gottes Größe und Allmacht.
Ein „verzehrendes Feuer“ klingt nun allerdings ganz und gar nicht nach einem Gott, der liebend, gütig und gnädig ist. Eher doch danach, dass er verzehrend ist, einem Feuer gleich, – und das ist, zumindest nach meiner Erfahrung, nicht unbedingt die schmerzloseste Variante … Was also sollte den Hebräern mit Vers 29 aufgezeigt werden?
Feuer steht in der Bibel für Gottes Heiligkeit, Gericht und reinigende Kraft. Diese Formulierung stammt aus 5. Mose 4,24. Dort heißt es „Denn der Herr, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer, ein eifernder Gott.“
I 1. Korinther 3,13 steht „so wird das Werk eines jeden offenbar werden; der Tag wird es zeigen, weil es durchs Feuer geoffenbart wird. Und welcher Art das Werk eines jeden ist, wird das Feuer erproben.“ Will sagen: Gott lässt sich nicht von unserer, oft sorgsam gepflegten und stetig übertünchten Fassade blenden. Sein „Feuer“ wird all dies im Nu vernichten und was dann zum Vorschein kommt, unser wahres, nacktes Ich, das muss vor Ihm bestehen können, denn Er ist ein gerechter Gott, der seine Kinder reinigt und das Böse richtet.
Die „Gebrauchsanleitung zur Ehrfurcht“ könnte also wie folgt aussehen:
- Wir sind gerettet, deshalb wollen wir Ihm dafür dankbar vara.
- Wir dienen Gott aus ehrfürchtigem, ungeteiltem Herzen.
- Wir bringen Gott unsere Ehrfurcht entgegen, nicht aus Angst, sondern tiefem Respekt vor Seiner Heiligkeit.
Exkurs – Ehrfurcht
Ein erfolgreicher Architekt in einer großen Stadt. Er war stolz auf seine Fähigkeiten, liebte es, Gebäude zu entwerfen, und genoss den Respekt, den er in seinem Beruf erlangt hatte. Sein Leben war durchstrukturiert, er vertraute auf sein Wissen und seine Planungen. Unsicherheiten oder Dinge, die sich nicht rational erklären ließen, hatten in seinem Leben keinen Platz.
Eines Tages fuhr er mit seinem Auto durch eine abgelegene Berglandschaft, als plötzlich ein starker Sturm aufzog. Innerhalb weniger Minuten verwandelte sich der Himmel in eine bedrohliche Dunkelheit, der Wind peitschte über die Straße, und heftiger Regen machte die Sicht fast unmöglich.
Er versuchte, ruhig zu bleiben, doch als ein Blitz in unmittelbarer Nähe einschlug und das Donnern seinen Wagen erzittern ließ, war es vorbei mit seiner Selbstsicherheit. Er spürte zum ersten Mal seit langem etwas, das er nicht kannte: Ehrfurcht.
Er parkte am Straßenrand und blickte durch die Windschutzscheibe auf die unermessliche Naturgewalt vor ihm. Plötzlich wurde ihm bewusst, wie klein und verletzlich er war. Hier, mitten im Sturm, konnte seine Intelligenz, sein Wissen oder Geld ihm nicht helfen. Er war vollkommen ausgeliefert.
In diesem Moment erinnerte er sich an einen Vers aus den Psalmen, den seine Großmutter ihm als Kind beigebracht hatte. Psalm 8,45 fragt „Wenn ich deinen Himmel betrachte, das Werk deiner Finger, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: Was ist der Mensch, dass du an ihn gedenkst, und der Sohn des Menschen, dass du auf ihn achtest?“.
Als der Sturm langsam abklang und der Himmel sich wieder aufhellte, spürte er eine tiefe Demut und Dankbarkeit. Er erkannte, dass er nicht alles in seinem Leben selbst kontrollieren konnte und dass es eine Macht gab, die größer war als alles, was er bisher für maßgeblich und wichtig gehalten hatte.
Von diesem Tag an begann er nach und nach, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Er nahm sich mehr Zeit, die Schönheit der Natur zu betrachten, begann, wieder zu beten und über Dinge nachzudenken, die über sein eigenes Wissen hinausgingen. Er verstand, dass Ehrfurcht nicht bedeutet, sich klein oder wertlos zu fühlen, sondern lediglich anzuerkennen, dass es etwas Größeres gibt, das unser Leben trägt und lenkt, als wir es mit dem Verstand zu erfassen vermögen.
Die Begegnung mit der Ehrfurcht hatte ihn verändert, nicht eingeschüchtert, sondern ihm eine neue Perspektive auf das Leben geschenkt.